Nürnberg (epd). "Suche Frieden und jage ihm nach!" lautet die Jahreslosung der Kirchen in Deutschland für dieses Jahr. Das Ringen um ein friedliches Miteinander ist Claudia Kuchenbauers täglich Brot. Die 56-Jährige ist sowohl Pfarrerin als auch Mediatorin und leitet die "Arbeitsstelle kokon" der bayerischen evangelischen Landeskirche. Deren Schwerpunkte liegen auf praktischer Konfliktberatung sowie auf Angeboten zur Friedensbildung. "kokon" steht für "konstruktive Konfliktbearbeitung" und ist 2005 aus der kirchlichen Beratungsstelle für Kriegsdienstverweigerer hervorgegangen.
epd: Frau Kuchenbauer, wie schafft man Frieden?
Kuchenbauer: Eine heile Welt schaffen wir nicht. Ich denke an die Erzählung von dem Schriftsteller Paolo Coelho von einem König, der bei den Künstlern des Landes ein Friedensbild bestellt. Er entscheidet sich nicht für eines der harmonischen, idyllischen Landschaftsgemälde, sondern für ein Bild, das eine raue, sturmumtoste Bergwelt zeigt - nur in einer Felsspalte sitzt ruhig eine Schwalbe in ihrem Nest. Unsere Aufgabe ist es nicht, die Welt zu heilen, sondern Friedensnester zu bauen, indem wir die Zivilgesellschaft dabei unterstützen, gerechte Strukturen zu schaffen.
epd: Wie funktioniert friedliches Zusammenleben im Alltag?
Kuchenbauer: Es gibt hilfreiche Bedingungen zur friedlichen Konfliktbearbeitung im persönlichen Umfeld: Gesprächsbereitschaft, Vertrauen, Fairness, Verständnis für sich und die Motive des Anderen, Gemeinsamkeiten. Vertrauen beispielsweise ist das erste, was in einem schwierigen Konflikt kaputt geht. Deshalb müssen wir Erfahrungen miteinander machen, die uns auch dann noch tragen, wenn es kompliziert wird. Wer im Kleinen Frieden schaffen will, sollte auf vertrauensbildende Maßnahmen setzen. Das Gute ist ja, dass man nicht bei Null anfangen muss. Man muss das stärken, was schon da ist.
epd: Als Mediatoren werden Sie und ihr Kollege vermutlich oft zu Konflikten gerufen, die schon festgefahren sind. Was ist dann die Schwierigkeit?
Kuchenbauer: Schwierig ist es, wenn man den anderen nur noch als Feind sehen kann und alle seine Handlungen als gegen die eigene Person gerichtet sieht. Dann schnappt im Kopf die Konfliktfalle zu. Der Blick ist so verengt, dass man richtig arbeiten muss, ihn wieder zu weiten. Das kostet auch deshalb so viel Kraft, weil man sich dabei möglicherweise selbst als jemanden wahrnehmen muss, der anderen Unrecht getan hat - das ist schambesetzt, das macht niemand gern. Wir appellieren daher: Rechtzeitig Unterstützung suchen. Wenn alle den Stress miteinander beenden wollen, dann finden wir auch einen Weg dahin.
epd: Die Landeskirche hat für ihre Frühjahrssynode Friedensarbeit als inhaltlichen Schwerpunkt gewählt. Was erhoffen Sie sich davon?
Kuchenbauer: Ich hoffe, dass wahrgenommen wird, was im Raum der Kirche schon an Friedensarbeit passiert – und was davon mehr unterstützt werden muss. Konkretes Anliegen für die weltweite Friedensarbeit wäre, dass Kirche jenen zivilgesellschaftlichen Gruppen den Rücken stärkt, die die deutsche Rüstungspolitik hinterfragen. Deutschland ist der viertgrößte Rüstungsexporteur. Vor allem bei Kleinwaffen, den Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts, liegen wir weit vorn. Die Kirche verfügt über wichtige Ressourcen, die zum Frieden beitragen können: Sie hat eine Stimme, die öffentlich gehört wird. Und sie richtet die Botschaft des Weihnachtsengel aus: Friede sei mit Euch. Um etwas zum Frieden beizutragen, brauchen wir keinen Neustart. Wir können das, was schon läuft, unterstützen.
epd: "Suche Frieden und jage ihm nach" - was bedeutet die Jahreslosung für Sie?
Kuchenbauer: Der Bibelvers sagt mir, dass Frieden Aktivität verlangt. Interessant ist aber auch der Kontext des Psalms: Zu Beginn steht das Lob Gottes. Da spricht jemand, der aus der Ressource seines Glaubens schöpft, der sich mit Gott im Frieden weiß. Das ist eine tolle Voraussetzung, um etwas zum Frieden beizutragen! Gestärkt durch Gottes Botschaft, dass ich als Mensch genüge, soll und kann ich Frieden suchen.