Schwerpunktdekanat Freising: Befreit zum Widerstehen
Mit dem Aufruf, engagiert für Frieden einzustehen, hat die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler am 9. November die FriedensDekade im Schwerpunktdekanat Freising eröffnet.
Zu kritischer Wachsamkeit gegenüber latenter und offener Fremdenfeindlichkeit hat die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler am 9. November aufgerufen. Bei der Eröffnung der ökumenischen Friedensdekade im Dekanat Freising unter dem Motto „Befreit zum Widerstehen“ warnte sie vor salonfähigem Antisemitismus und einer sprachlichen Verharmlosung der Gewalt. „Wir müssen hellwach und ausgeschlafen sein, um schon bei Verbalattacken zu widersprechen.“
Im Gedenken an den 9. November erinnerte die Regionalbischöfin daran, dass schon zu Beginn des Nationalsozialismus Menschen Widerstand geleistet haben. Niemand könne sagen, dass die Zeit damals eben so war, wie sie war. „Das stimmt nie! Immer fangen Gemeinheiten und Gewalt klein an, haben Phasen, in denen sie noch gestoppt werden können. Immer sind Menschen wachsam und kritisch – sie werden nur nicht gehört.“
Frieden habe nichts mit einer Vermeidung von Konflikten zu tun, betonte Breit-Keßler. „Frieden – das ist Arbeit. Wie zwei Menschen, die sich lieben, immer wieder an ihrer Beziehung arbeiten müssen, müssen Einzelne, ganze Gesellschaften, Völker und Nationen an ihrer Beziehung zueinander, am Frieden arbeiten.“
Kein Staat und keine Politik könne dem einzelnen das Bemühen um den Frieden abnehmen, erklärte die Regionalbischöfin. „Wer um des wirklich lieben Friedens willen auf Gewalt verzichten will, muss bei sich anfangen.“
Dietrich Bonhoeffer habe darauf hingewiesen, „dass wir die Freiheit zur Verantwortung haben, dass Verantwortung Wagnis bedeutet und, dass zu ihr die Bereitschaft gehört, Schuld auf sich zu nehmen – zum Beispiel, wenn man Waffen an Menschen liefert, die sie zur Selbstverteidigung brauchen und später vielleicht verwenden, um sich gegen Dritte zu richten.“
An der Eröffnung der FriedensDekade, die seit 34 Jahren in den zehn Tagen vor dem Buß- und Bettag stattfindet, waren neben anderen auch der landeskirchliche Referent für Weltverantwortung und Ökumene Kirchenrat Thomas Prieto Peral und Mitarbeiterinnen von Mission EineWelt sowie der Arbeitsstelle kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung beteiligt. Zu Beginn des Gottesdienstes hatte der stellvertretende Dekan des letztjährigen Schwerpunktdekanats Schweinfurt Jochen Wilde ein Friedenslicht an den Freisinger Dekan Jochen Hauer weitergegeben – als Zeichen der landeskirchenweiten Solidarität im Gebet für den Frieden.
Vertreterinnen und Vertreter aller Gemeinden des Dekanats erhielten von Mission Eine Welt ein Windlicht für ihre Kirchen – hier soll die Flamme des Friedens in den kommenden zehn Tagen leuchten.
Bildmeditation zum Plakat der Ökumenischen FriedensDekade 2014 “Befreit zum Widerstehen“
Vor vielen Jahren gab es ein Lied mit dem Titel „Die weißen Tauben sind müde“. Der Sänger Hans Hartz besang in wehmütigem Ton die Schwäche der „weißen Tauben“ gegenüber den „Falken“, die Schwäche derjenigen, die für den Frieden einstehen gegenüber der Gewalt. Das war im Jahr 1982, auf dem Höhepunkt der Debatte um die Nato „Nachrüstung“. Mancher hat den Refrain des Liedes vielleicht noch im Ohr:
„Die weißen Tauben sind müde, sie fliegen lange schon nicht mehr. Sie haben viel zu schwere Flügel; und ihre Schnäbel sind längst leer, jedoch die Falken fliegen weiter, sie sind so stark wie nie vorher; und ihre Flügel werden breiter, und täglich kommen immer mehr, nur weiße Tauben fliegen nicht mehr.“
Der Gegensatz zwischen den Falken und der Taube bestimmt auch unser Bild, das die Agentur Unikat aus Wuppertal für die ÖFD gestalten hat. Aber unsere Taube wirkt nicht müde. Im Gegenteil, sie ist im Steigflug, sie strebt gen Himmel. Die Falken stürzen im Formationsflug schräg nach unten auf ihre Beute. Die Taube ist allein, aber sie bestimmt den Vordergrund, sie lässt sich nicht erschrecken. Sie hält stand. Auf der Bilddiagonale kreuzen sich die Bewegungen. Eine nach unten gehende Gerade des Angriffs; eine tänzelnde, anmutige, fast zärtliche Bewegung nach oben, die diesem Angriff widersteht, die die Angreifer irritiert. Rot und Schwarz, die Farben von Gewalt und Blut, auf der einen Seite stehen den Farben Rot und Weiß, Unschuld und Blut, auf der anderen Seite gegenüber.
Befreit zum Widerstehen“ ist das Motto der Friedensdekade in diesem Jahr. Auf dem diesjährigen Plakat geht es um „Widerstehen“, um einen Prozess, dessen Geheimnis darin liegt, dass er die Leichtigkeit nicht verleugnet, und dass er die „Schwere“ der Gewalt nicht übernimmt. Diese Leichtigkeit kommt nicht einfach aus sich selbst. Darauf verweist das Friedenssymbol, die Taube: sie ist verletzlich, selbst schutzlos. Die Taube ist ein Sinnbild des Heiligen Geistes: Gottes selbst, wie Er in der Geschichte und in den Herzen der Menschen wirksam ist – zur Umkehr, zur Veränderung, darin, dass Er „die Mächtigen vom Thron stößt“ und „die Niedrigen erhebt“ (Lukas 1,52). Die sanfte Macht des Heiligen Geistes ist stärker als Menschenmacht. Seine Macht ist Hoffnung – Hoffnung darauf, dass Gewalt und Unrecht überwunden werden. Diese Hoffnung hilft zu widerstehen, sie gibt Kraft dazu, sich selbst verändern zu lassen und damit die „Verhältnisse“ zu verändern. Dieser Wind der Hoffnung, der „Wind of Change“, ist es, der unter die Flügel der Taube greift und sie zum Himmel erhebt. Diese Kraft „befreit zum Widerstand“ und sie wird sich gerade wegen ihrer Verletzlichkeit und „Schwäche“ letztlich als stärker erweisen.
Die weißen Tauben sind nicht müde, nein sie sind gestärkt und hellwach!
Roger Mielke
Oberkirchenrat Dr. Roger Mielke ist EKD-Referent für Fragen der öffentlichen Verantwortung der Kirche und Mitglied im Gesprächsforum Ökumenische FriedensDekade.